Die Einstein Academy ist Vorreiter in der Berufsbildung
Die Arbeiten an der Einstein Academy sind in vollem Gange. Es handelt sich nicht um eine neue Schule, sondern um einen Teil der bestehenden beruflichen Sekundar- und Fachhochschulbildung in der niederländischen Provinz Limburg. Im Mittelpunkt stehen Kenntnisse und Fähigkeiten über Techniken und Technologien, die für das Einstein Teleskop eine Rolle spielen.
Ab nächstem Frühjahr können die ersten Studierenden am Living Lab der Zuyd Hogeschool in Heerlen einen Minor-Studiengang belegen. Die Programmleiterin der Academy Agnes Berendsen ist schon jetzt von dem großen Interesse der Studierenden der Zuyd Hogeschool angenehm überrascht. „Den Ursprung des Universums betrachten und in die Zukunft blicken. Das weckt Interesse.“
Es kann ihr gar nicht schnell genug gehen, die Praxisräume der Einstein Academy im ehemaligen Engineering-Praxisraum der Zuyd Hogeschool in Heerlen einzurichten. „Hier werden die Anlagen untergebracht, hier werden wir Prototypen bauen“, sagt sie, während sie durch den noch fast leeren Raum zu ihrem Büro geht. „Hier werden die Studierenden unter anderem in die Bereiche Vibration, Optik und Vakuumtechnik eingeführt. Im Februar wird der erste Minor-Studiengang beginnen, und bis dahin soll dieser Raum als Praxislabor eingerichtet sein.“
Living lab
Ein komplettes Living Lab, in dem Studierende lernen und mit Forschenden und Unternehmer:innen an konkreten Forschungsprojekten in der Praxis arbeiten. „Ja, das ist eine große Aufgabe und die Zeit wird knapp. Ich bin gerade dabei, ein Team zu bilden, das den Lehrplan zusammenstellt, Werbung macht und Kontakte zu Schulen und Instituten in anderen Ländern knüpft. Die notwendige Ausrüstung muss noch angeschafft werden, und ich möchte auch eine gut funktionierende Klimaanlage und die besten und modernsten Einrichtungen. Passend zu einem futuristischen Projekt wie dem Einstein Teleskop.“
Agnes Berendsen ist ehrgeizig und stellt hohe Ansprüche, wie sie selbst sagt. Glücklicherweise ist die Finanzierung für die Einrichtung der Einstein Academy gesichert. Die Initiatorinnen, die Fachhochschule Zuyd und die berufsbildenden Sekundarschulen Vista College und Gilde Opleidingen, können gemeinsam auf 4,5 Millionen Euro vom niederländischen Ministerium für Bildung, Kultur und Wissenschaft (OCW) und der Provinz Limburg zählen. In einigen Jahren soll die Academy in den regulären Unterricht der drei Institutionen eingebettet werden.

Technisch ausgebildet
„Zunächst konzentriert sich die Academy natürlich auf das Einstein Teleskop“, sagt die in Polen geborene und aufgewachsene Mechatronikerin, die an der Universität Maastricht in medizinischer Informatik promoviert hat und seit 2003 im Süden der Niederlande lebt und arbeitet. „Die Vorbereitung, der Bau und die Wartung des Einstein Teleskops erfordern praktisch ausgebildete Leute, die sich zum Beispiel mit Spiegeln, Kühlung, Mechatronik, Schweiß- und Vakuumtechniken, Korrosion und Digital Twins weiter auskennen. Das Teleskop garantiert Innovationen, die Anwendung neuer Materialien und Techniken durch Anbieter aus der Region. Es ist bekannt, dass es einen großen Mangel an technisch und praktisch ausgebildeten Menschen gibt, daher ist diese Academy äußerst wichtig.“
Breite Einsatzmöglichkeiten
Und wenn das Teleskop wider Erwarten nicht in dieser Region gebaut wird, was dann? „Überhaupt kein Problem“, so Agnes. „Viele Unternehmen sind bereits an dem Projekt beteiligt, insbesondere an der Testanlage des Teleskops in Maastricht, dem ETpathfinder. Die Innovation ist in vollem Gange. Auch wenn das Teleskop in Deutschland oder Italien gebaut wird, brauchen die Unternehmen in unserer Region Know-how und gut ausgebildetes technisches Personal. Ihre Fähigkeiten sind breit einsetzbar. Das Teleskop ist nicht die einzige Anlage, die die neuen Techniken nutzt. Sie werden in die Produktionsprozesse der Unternehmen eingebettet. Mit der Academy stärken die Institutionen Zuyd, Vista und Gilde gemeinsam das Bildungsangebot in der Region. Unser Ziel ist es, ab 2027 mindestens 150 weitere Studierende auszubilden, sowohl auf Ebene der beruflichen Sekundarschulbildung als auch auf Ebene der Fachhochschulbildung. Das Living Lab hier in Heerlen fungiert dann als Praxisraum für die drei Institutionen, der auch von Schulen von jenseits der Grenze besucht werden kann.“
Fragen und Aufträgen
Das Living Lab richtet sich ausdrücklich auch an die innovative Wirtschaft. „Auf jeden Fall. Unternehmer:innen mit Fragen und Aufträgen können sich an uns wenden. Studierende und Forschende, auch von Universitäten in der Region, werden dann Lösungen erarbeiten und entwickeln. Gegen ein angemessenes Entgelt, aber immer noch wesentlich preisgünstiger, als selbst in Labore und Wissen zu investieren. Letztlich muss sich auch die Academy selbst tragen. Und das kann man mit genügend Studierenden und Aufträgen erreichen. Ein Ansatz, der sich inzwischen unter anderem bei CHILL auf dem Chemelot Campus bewährt hat. Das macht eine Ausbildung besonders attraktiv. Vor allem Absolvent:innen von Hochschulen und berufsbildenden Sekundarschulen arbeiten gerne an praktischen Aufgabenstellungen. Intern können wir dies bestimmt vermitteln, aber wir müssen auch aktiv auf die Wirtschaft zugehen.“
Viele Bewerbungen
Vielleicht gibt es deshalb bereits knapp 30 Bewerbungen für den im Februar beginnenden Minor-Studiengang, ausschließlich von Studierende der Ingenieurwissenschaften. „Ich denke schon, obwohl ich nicht mit so vielen Bewerbungen gerechnet habe. Wir könnten leicht zwei Minors damit füllen. Und dabei ist die Einschreibung nur für Studierende der Ingenieurwissenschaften möglich. Für die Durchschnittsbürger:innen ist das Einstein Teleskop doch ein abstraktes Konzept. Die Suche nach Schwingungen aus dem Weltraum, dem Urknall – die meisten Menschen verlieren dann schnell das Interesse. Erfreulicherweise wurde die Academy hier sehr gut aufgenommen, auch von den Studierenden.“
Eine der größten Herausforderungen ist laut Agnes Berendsen, Bekanntheit zu erlangen. „Ich denke, das ist auch ein Teil meiner Mission. Wenn das Teleskop hier in der Region gebaut wird, bedeutet das einen enormen Schub für Wirtschaft, Wissenschaft und Bildung. Es geht um Tausende von Arbeitsplätzen und eine bessere Zukunft. Wir werden also so viel wie möglich rausgehen, über den Studiengang informieren und Werbung machen.“
Spezieller Bus
Das meint Agnes übrigens wörtlich. „Ja, wir werden einen speziellen Bus einrichten, mit dem wir unterwegs sein werden. Mit an Bord sind alle möglichen Informationen über das Einstein Teleskop, ein maßstabsgetreues Modell, Flyer und Aufbauten, die denen ähneln, die im Einstein Telescope Education Centre im Discovery Museum in Kerkrade zu sehen sind, wo ein ganzer Flügel dem Projekt gewidmet ist. Wir besuchen Grundschulen und weiterführende Schulen und werden auch bei großen Veranstaltungen präsent sein, bei denen natürlich alle willkommen sind. Schließlich sollen alle wissen, woran wir arbeiten.“


