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Von Bohrungen und Umgebungsdialog bis hin zum Bid Book

Was hat das Jahr 2025 gebracht und was wird das nächste Jahr für das Einstein Teleskop bringen? Gemeint sind natürlich die Pläne für das unterirdische Teleskop in der Euregio Maas-Rhein. Stan Bentvelsen vom Leitungsteam des Projektbüros blickt zurück und voraus.

Bis 2025 sollte klar sein, wo das Einstein-Teleskop in der Euregio gebaut wird. Wann wird dies klar sein?

STAN: „Das ist eine einfache Frage. Anfang des nächsten Jahres werden wir das wissen müssen. Denn im Laufe des Jahres 2026 wird das Bid Book erstellt und fertiggestellt werden. Und dieses Bid Book basiert zum Teil auf dem bevorzugten Standort für das unterirdische Dreieck.“

Warum ist das nicht bis 2025 geschehen?

STAN: „Wir erlebten einige Verzögerungen bei unseren Bohrungen und seismischen Untersuchungen. Es war lediglich ein unglücklicher Zufall. Ein unglücklicher Zufall, der Zeit kostete.“

Was wird noch benötigt?

STAN: „Auf der wallonischen Seite werden derzeit noch einige Bohrungen durchgeführt. Eine passive seismische Kampagne zur Messung der Umgebungsgeräusche in 30 Gemeinden ist in Vorbereitung. Eine dritte Kampagne könnte Anfang nächsten Jahres folgen. Hiermit wollen wir bestätigen, dass das Einstein Teleskop künftig nicht durch Umgebungsgeräusche gestört wird. Darüber hinaus führen wir derzeit noch die hydrologische Untersuchung durch. In der Zwischenzeit untersuchen wir anhand der vorläufigen Ergebnisse den Tunnelbau selbst. Die Ergebnisse all dieser Untersuchungen, auch in ihrem gegenseitigen Zusammenhang, bestimmen letztendlich den Standort. Und das ist nur aus der Perspektive des ‚Untergrunds‘ betrachtet.“

Boring

Und die Umgebung?

STAN: „Logische Frage. Die Auswirkungen auf die oberirdische Umgebung spielen auch eine wichtige Rolle. Was können wir tun, um die Auswirkungen auf die Umgebung so begrenzt wie möglich zu halten. Zu diesem Zweck untersuchen die Universität Hasselt und eine Reihe von Partnern, wie z. B. VITO, ob wir das Teleskop mit nachhaltiger Energie werden betreiben können, die wir vorzugsweise selbst erzeugen. Wir prüfen auch, inwieweit wir die rund vier Millionen Kubikmeter Boden, die wir ausheben, wiederverwenden können. Zum Beispiel für Beton in den Schächten und Tunneln, aber auch für andere Möglichkeiten.“ 

Ziemlich kompliziert, alles in allem … 

STAN: „Das kann man wohl sagen! Ganz zu schweigen davon, dass wir uns mit allen möglichen belgischen Stellen beraten, um bald den Rangierbahnhof in Montzen nutzen zu können, um einen Großteil des Erdabtrags und der Materiallieferungen für das Teleskop per Bahn zu erledigen. Das spart viel Güterverkehr.“

Wie halten Sie die Umgebung auf dem Laufenden?

STAN: „Über unsere Kommunikationskanäle wie LinkedIn, Instagram, Website und Newsletter. Kürzlich organisierten wir vier große öffentliche Veranstaltungen, um die Menschen zu informieren. In unserem Auftrag führt die Universität Hasselt Umgebungsdialoge in verschiedenen Formen und an unterschiedlichen Orten im Suchgebiet durch. Ihre Aufgabe ist es nicht, zu vermitteln, was wir tun, sondern vor allem Wünsche, Sorgen und Möglichkeiten zu sammeln, die die Einwohner:innen für ihre eigene Umgebung sehen.“

Stan Bentvelsen

Ist es realistisch, dass das Projektbüro dies bereits jetzt genau angeben kann?

STAN: „Es beginnt damit, dass man genau weiß, was den Einwohner:innen wichtig ist. Und unser Bestreben ist es, so viel wie möglich daraus zu machen. Aber werden wir alle Wünsche erfüllen können? Ehrliche Antwort: Nein. Wir sind jedoch entschlossen, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Ein gutes Beispiel ist die Charta, die wir vor Kurzem mit dem Landschaftspark Bocageland unterzeichnet haben, um gemeinsam an einer Vision für das Gebiet zu arbeiten. Wir haben beide unterschiedliche Ziele, aber gleichzeitig das gemeinsame Interesse, dass die Landschaft nicht dauerhaft geschädigt wird bzw. besser wird, als wir sie vor dem Bau vorgefunden haben. Für den Landschaftspark Bocageland ist das das Ziel. Für uns bedeutet das, dass wir tief im Boden keinen zusätzlichen Lärm erwarten müssen. Eine Win-Win-Situation.“ 

Wird das Einstein-Teleskop auch ein Motor für Wirtschaft, Innovation und neue Arbeitsplätze sein?

STAN: „In diesem Jahr liegen zwei Berichte vor, die – aus einer anderen Perspektive – darauf hinweisen, dass das Einstein Teleskop für die kommende Generation tatsächlich zur Broterwerbsquelle der Zukunft werden könnte. Nicht nur in dieser Euregio, sondern in den drei Ländern. Die erste Studie, die von der flämischen Regierung Anfang des Jahres bei Econopolis in Auftrag gegeben wurde, bestätigt dies. Wörtlich heißt es, dass es noch nie so viele Möglichkeiten gegeben hat wie jetzt und dass es vielleicht nie wieder so viele Möglichkeiten geben wird. Und das nicht nur für Flandern; der Forscher Geert Noels wies darauf hin, dass eine Zusammenarbeit zwischen den drei Ländern mehr bringen würde, als wenn jeder seinen eigenen Plan verfolgen würde.

Kürzlich erschien der zweite Bericht Valorisatieperspectief (Valorisierungsperspektive) der niederländischen Regionalentwicklungsagentur LIOF. Diese enormen Möglichkeiten zur maximalen Nutzung der neuen oder verbesserten Technologien in anderen Sektoren werden hierin noch einmal bestätigt. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass dies sogar dazu beitragen könnte, Europa von der Konkurrenz aus den Vereinigten Staaten oder China unabhängig zu machen. Das ist in der heutigen Zeit eine beachtliche Leistung.“

Und in der Praxis?

STAN: „Es gibt viele Konsortien, die alle Arten von Technologien für das Teleskop entwickeln. Laser, Kältetechnik, Spiegel, Vakuum. Alles muss auf dem neuesten Stand der Technik sein. Diese Technologien liefern zweifellos Vorteile für andere Sektoren. Vielleicht könnten diese neuesten Laser zur Verbesserung der medizinischen Bildgebung eingesetzt werden. Aber diese technologischen Entdeckungen oder Neuerungen bieten auch Chancen in der Luft- und Raumfahrt, in den Life Sciences oder beim Klimaschutz. Unsere Business Developer zeigen diese Chancen auf internationalen Messen. Und das führt zu einer positiven Resonanz. Anfang des Jahres auf der Hannover Messe und erst kürzlich auf der Europe Space Tech Expo in Bremen. Nicht zufällig beide in Deutschland.“ 

Wie „nicht zufällig in Deutschland“? Hat das damit zu tun, dass Sachsen jetzt auch formal ein Kandidat ist?

STAN: „Wir stehen jetzt zu dritt auf der Kandidatenliste für das Einstein Teleskop in Europa: Sardinien, Sachsen und wir mit der Euregio Maas-Rhein. Mit Sachsen als weiteren Kandidaten wird es von großer Bedeutung sein, welche Maßnahmen Deutschland ergreift. Die Unterstützung unserer Nachbarn und des Partners Nordrhein-Westfalen ist uns gewiss. Voraussetzung dafür ist, dass sich auch die Bundesregierung in Berlin für uns entscheidet. Die dortige Regierung von Merz hat das Einstein Teleskop inzwischen auf die wissenschaftliche Prioritätenliste gesetzt, jedoch noch keine Entscheidung über den Standort getroffen. Das ist in der Tat spannend.“

Gab es kürzlich Veränderungen in der Leitung des Projektbüros?

STAN: „Das ist richtig. Es geht um die verstärkte Zusammenarbeit von Nordrhein-Westfalen und Wallonien. Unsere wallonischen Kolleg:innen haben zum Beispiel vor Kurzem eine eigene Taskforce gebildet, die Wallonien auf den Bau des Einstein Teleskops vorbereitet. Übrigens arbeiten einige Kolleg:innen aus dieser Taskforce schon seit geraumer Zeit in unserem Projektbüro. Aus diesem Grund haben unsere Auftraggeber beschlossen, die Leitung des Projektbüros um Vertreter aus diesen Ländern zu erweitern. Es handelt sich um Olivier Granville aus Wallonien und Achim Stahl aus Nordrhein-Westfalen. Schließlich haben wir es auch mit neun Minister:innen als Auftraggebern zu tun. Außerdem folgte aus Flandern eine Veränderung: Hans Plets ist nun CEO der gesamten flämischen Organisation hinter dem Einstein Teleskop. Daher ist es nicht mehr möglich, auch noch Leiter unseres Projektbüros zu sein. Darüber hinaus müsste Hans dann in verschiedenen Funktionen tätig sein, was er selbstverständlich nicht wünscht.“   

Achim Stahl und Olivier Granville

Abschließend: Wie sehen Sie das Jahr 2026?

STAN: „Letztes Jahr haben wir gesagt, dass 2025 das Jahr der Wahrheit sein würde. Das war in vielen Bereichen auch so. So weit nichts Neues. Auch 2026 wird das Jahr der Wahrheit sein: Dann müssen wir unsere Pläne in Form unseres Bid Books vorlegen. Darin bestätigen die EMR-Länder formell unsere Kandidatur und wir erläutern, wie wir das Einstein Teleskop hier bauen wollen. Unser Bid-Book-Team arbeitet hart an dieser Aufgabe. Während uns vor einigen Jahren manchmal gesagt wurde, dass das Projektbüro nur aus Männern besteht, ist es schön zu sehen, dass das Bid-Book-Team aus fünf Frauen besteht. Nach 2026, dem Jahr des Bid Books, wird 2027 ein weiteres Jahr der Wahrheit sein. Dann erfolgt schließlich die europäische Standortwahl. Wir können nur eines tun: Unser Allerbestes geben, um alle möglichen Bausteine zu sammeln und schließlich ein starkes Bid Book zu präsentieren. Und das tun wir jeden Tag!“ 

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