„Ich sehe Dinge, die zu schön sind, um sie nicht zu teilen“
Marco Kraan vom niederländischen Forschungsinstitut Nikhef hat künstlerische Darstellungen von Gravitationswellen-Detektoren entwickelt, die auf der ganzen Welt zum Einsatz kommen. Wie ein Maschinenbauer Kunst aus Technik macht.
Es ist eines der ikonischen Bilder des Einstein-Teleskops: ein Nachthimmel mit zwei schwarzen Löchern, die einander umkreisen, wogende Gravitationswellen, die sich auf eine Hügellandschaft zubewegen, und darunter der dreieckige Detektor, mit dem Forschende dieses Phänomen beobachten wollen. Der technische Designer Marco Kraan vom niederländischen Institut Nikhef spricht darüber, wie und warum er Forschung und Wissenschaft visualisiert.
Warum schaffen Sie künstlerische Darstellungen der Wissenschaft?
,,Als Konstrukteur komme ich in alle möglichen Ecken unseres Labors, wo die erstaunlichsten Experimente stattfinden. Dort sehe ich Dinge, die zu schön sind, um sie nicht zu teilen. Ich bin überzeugt, dass man Menschen für die Wissenschaft begeistern kann, indem man das Bild für sich selbst sprechen lässt. Dafür habe ich jetzt auch formal einen Tag pro Woche Zeit bekommen.
Es ist eine sehr vielseitige, kreative Arbeit, die mich wirklich glücklich macht. Von der Erstellung eines CAD-Modells über die Auswahl von Beleuchtung und Kameraperspektiven bis hin zur Foto- und Videobearbeitung. Ich genieße es mir Teile von Animationen aus dem Vorschaurendering anzusehen und dann zu denken: „Das wird den Leuten gefallen“.”
Wie ist dieses Bild des Einstein-Teleskops entstanden?
,,Eigentlich als ein gemeinschaftliches Projekt. Es basiert auf einem CAD-Modell des Physikers Andreas Freise und des inzwischen pensionierten Designers Martin Doets von Nikhef. Zusammen mit Andreas und Harald Lück (Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik) habe ich dieses Modell zum Titelbild für einen Bericht über das Design des Einstein-Teleskops weiterentwickelt. Das war auch die Vorlage für eine Animation, in der man Gravitationswellen von der Quelle bis zum Detektor verfolgt.”
Sind solche künstlerischen Darstellung Standardarbeit für einen technischen Designer?
,,Nein! Normalerweise arbeite ich an Projekten wie dem Design von Komponenten für Detektoren am Teilchenbeschleuniger LHC, für das Neutrinoteleskop KM3NeT oder für den Gravitationswellen-Detektor Virgo. Eben alle Projekte, in die Nikhef involviert ist. Aber ich habe schon immer den Wunsch verspürt, die Forschung und unsere technische Arbeit sichtbarer zu machen.
Am liebsten suche ich mir selbst ein Thema, das ich abbilden möchte, und entscheide, wie ich es angehe: eine Animation, eine künstlerische Darstellung, ein Zeitraffer eines Herstellungsprozesses oder Aufnahmen mit einer 360-Grad-Kamera. Die schönste Erfahrung ist es, etwas für jemanden zu machen, ohne dass er darum gebeten hat, und dann zu sehen, dass es gut ankommt.”
Was war Ihr erste künstlerische Darstellung?
,,Das war eine Animation für den Gravitationswellen-Detektor Virgo im Jahr 2015. Knapp vier Wochen vor der großen Pressekonferenz über die allererste Beobachtung von Gravitationswellen klopfte der Forscher Jo van den Brand an meine Tür, und bat mich, eine Animation zu erstellen. Das war fantastisch, aber auch ein bisschen aufregend, denn ich stand unter erheblichem Zeitdruck, und die Animationssoftware musste ich erst noch kaufen und dann lernen, sie zu benutzen. Nach drei Wochen Schufterei hatte ich drei Minuten Animation fertig.”
Gibt es ein „Betriebsgeheimnis“ für diese Animationen?
,,Für mich besteht es darin, einem „nackten“ CAD-Modell Details hinzuzufügen, so dass man ein realistisches Bild davon erhält, wie die Zukunft aussehen könnte. Deshalb habe ich Teile der aktuellen ETpathfinder-Anlage in Maastricht zu den Reinräumen in der Animation des Einstein-Teleskops hinzugefügt. Solche Details vervollständigen für mich ein Bild, auch wenn viele Betrachter sie vielleicht gar nicht bemerken.
Es ist sicherlich hilfreich, dass ich einen Hintergrund als Konstrukteur habe. Ich weiß, wie ein Design funktioniert und welche Teile wichtig sind. Das kann aber auch von Nachteil sein, zum Beispiel wenn ich darauf bestehe, ein korrektes Modell eines Krans in einer 3D-Zeichnung zu haben. Ein anderer Zeichner bastelt dann vielleicht schnell einen gelben Balken auf Schienen, aber ich suche und suche, bis ich ein realistisches Modell finde.”
Was können wir noch von Ihnen erwarten?
,,Ich habe ein Modell des Einstein-Teleskops für die neue Expo in Nikhef in Planung, eine Art Dauerausstellung über die Forschung, die wir hier betreiben. Vielleicht machen wir auch eine Version davon, um es zu Veranstaltungen über das Einstein-Teleskop mitzunehmen. Sie werden es sehen, wenn es fertig ist!”
Weitere künstlerische Impressionen von Marco Kraan finden Sie auf seinem YouTube-Kanal.